Bruckhausen: PLÖTZLICH NEUE POSITIONEN [Update: mit Fotos]

Feierabendgespräch "Das Bruckhausen Project". Foto: Dirk E. Haas

Bruckhausen ist kein sterbender Stadtteil, sondern ein Ort räumlicher Ungewissheit. Die Ungewissheit beginnt bereits mit der Frage, inwieweit herkömmliche Kategorien wie „Stadt“, „Wohnviertel“ oder „Park“ überhaupt geeignet sind, die künftige Entwicklung Bruckhausens abzubilden. Der städtische Park, wie ihn die klassische Europäische Stadt kennt und wie er nun in Bruckhausen als Lösung (von was eigentlich?) präsentiert wird, ist nichts anderes als ein Rückgriff auf vertrautes sprachliches und bildliches Terrain; er geht jedoch an den Grund legenden Entwicklungsbedingungen dieses Stadtteils in weiten Teilen vorbei. Andererseits sind die im Zuge der städtischen Abrissunternehmung sorgfältig herausgeschnittenen Löcher im Grundriss des Stadtteils ein neues System offener Räume, für das bislang keine Sprache, kein Bild, keine Idee formuliert worden ist.

Foto: Boris Sieverts

Foto: Boris Sieverts

Foto: Boris Sieverts

Foto: Boris Sieverts

Foto: Boris Sieverts

Was wir dort sehen ist keine Degeneration einer Stadt, sondern ein Formwandel des Städtischen. Aber noch immer arbeiten wir zumeist mit dem alten Repertoire: Wenn etwas als Stadt bzw. Stadtquartier nicht mehr funktioniert, reißen wir es ab und schaffen etwas anderes, das wir kennen: den Park. Und wir tun es mit dem Instrumentarium, das wir kennen: dem Plan.

Was aber, wenn diese räumliche Ungewissheit gar keinen Plan braucht? Wenn der Plan, der ausschließlich mit herkömmlichen Repertoires arbeitet, die Krise lediglich verschärft – wenn mehr „Stadtparks“ (oder mehr „Riesenmöbelmärkte“, mehr „Factory Outlet Villages“) vorrangig Ausdruck tiefer Rat- und Fantasielosigkeit sind? Wenn der Plan, wie wir ihn kennen, eine Gewissheit über das Richtige nur vortäuscht? Wenn ein Stadtteil wie Bruckhausen also gar keinen dieser nur vermeintlich neuen Pläne verträgt, sondern lediglich ein paar Regeln benötigt, nach denen im Stadtteil agiert werden kann – Regeln, die einen Modus des Handelns in räumlicher Ungewissheit beschreiben, ohne ein Endziel zu formulieren?

Eine dieser Regeln könnte sein: Der Park ist bereits da! Das, was hier und jetzt zu sehen ist, die kleinen und großen Gebäudelücken, die leeren, tlw. schon verfallenen Häuser, die aufgerissenen Straßen, die halb durchlässigen Innenhöfe – das ist der Park. So wie vor 25 Jahren aufgelassene Industriebrachen, halb verfallene Zechen und Hüttenwerke zum „Park“ erklärt wurden und damit auch ein neues Verständnis von Landschaft und Landschaftsarchitektur begründeten, so würden auch halb verfallene bzw. halb abgerissene Wohnquartiere zum „Park“ erklärt und könnten womöglich jene Fantasie freisetzen, die dem Ort und seinen Rahmenbedingungen auch angemessen ist. Diese Tradition der IBA Emscher Park, nämlich die ästhetischen Prädispositionen nicht nur der Ruhrgebietsbevölkerung nachhaltig verändert zu haben, einen neuen Typus von Stadt- bzw. Kulturraum regelrecht erfunden zu haben – das ist die Tradition, an die auch ein „Duisburger Manifest“ oder der Deutsche Werkbund NW, der sich so vehement für den Erhalt Bruckhausens einsetzt, anknüpfen könnten. Das hätte mehr Sinn und mehr Kraft, als in einen simplen, retroaktiven Modus zu verfallen und vom Wiederaufbau der bereits abgerissenen Gebäude zu fabulieren.

Was allerdings kaum hinnehmbar ist, das ist jene Form von intellektueller Verweigerung, wie sie in der Haltung der gegenwärtigen Duisburger Stadtspitze zum Ausdruck kommt; denn es ist nun Zeit für ein Moratorium des Abrisses, Zeit für eine kritische Revision stumpfer Planerfüllung. Ja, und Zeit für neue Positionen.

Gordon Matta-Clark: Conical Interest (1975)


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